Michel Collon

Herrschaft der Gewalt - Recht der Starken und Reichen:
Das Internationale Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien, bezahlt von der US-Regierung und einigen Milliardären

Das Internationale Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien mit Sitz in Den Haag hat bereits während des NATO-Krieges vor zwei Jahren Slobodan Milosevic, den damaligen Präsidenten Jugoslawiens, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Gleichzeitig lehnt es das Tribunal ab, Kriegsverbrechen der NATO und albanischer Terroristen zu untersuchen. Bereits die Einrichtung des Tribunals durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war äußerst umstritten. Aber vor allem seine Arbeitsweise verletzt Grundprinzipien des internationalen Rechts.

Nach Artikel 16 Statut des Tribunals arbeitet der Ankläger unabhängig. Insbesondere darf er keine Weisungen einer Regierung entgegennehmen. Artikel 32 besagt, daß die Vereinten Nationen für die Kosten des Tribunals aufkommen müssen. Diese beiden Prinzipien - Unabhängigkeit der Anklage und unabhängige Finanzierung - werden jedoch systematisch mißachtet.

Gabriella Kirk McDonald, die Präsidentin des Tribunals selbst, sagte vor dem US-Supreme Court: "Wir profitieren von der starken Unterstützung durch die beteiligten Regierungen und uns zugeneigter Einzelpersonen wie Ministerin Albright. Als ständige Vertreterin bei den Vereinten Nationen war sie fest entschlossen, das Tribunal einzurichten. Wenn wir von ihr sprechen, nennen wir sie oft die ‚Mutter des Tribunals´" Eine bezaubernde Mutter! Erst kürzlich im US-Fernsehen auf das Embargo gegen den Irak angesprochen, erklärte die mehrjährige Außenministerin der USA, der Tod einer halben Million irakischer Kinder sei "gerechtfertigt".

Als die Chefanklägerin des Tribunals, Louise Arbour, Anklage gegen Slobodan Milosevic erhob, informierte sie erst den damaligen US-amerikanischen Präsidenten William Clinton. Zwei Tage später dann den Rest der Welt. Wie ihre Nachfolgerin Carla Del Ponte traf sie sich mehrfach öffentlich mit US-amerikanischen und NATO-Offiziellen. 1996 traf sie den NATO-Generalsekretär und den Oberkommandierenden der NATO für Europa um die Modalitäten der Zusammenarbeit zu diskutieren. Anschließend wurde ein entsprechendes Memorandum unterzeichnet.

Wes Brot ich ess´ ...

1994 und 1995 erhielt das Kriegsverbrechertribunal von der US-Regierung 700000 US-Dollar (1,5 Millionen DM) in bar und Computer im Wert von fünf Millionen DM. Von der Rockefeller Foundation erhielt es 50000 US-Dollar (110000 DM) und vom Börsenspekulanten George Soros 150000 US-Dollar (330000 DM). Zur selben Zeit finanzierte Soros die wichtigste Separatistenzeitung im Kosovo. Weitere Spender sind der Mediengigant Time Warner, was vielleicht erklärt, warum die dunklen Seiten des Tribunals von den Medien verschwiegen werden, und das von Ronald Reagen gegründete "Institute for Peace".

Viele Juristen des Tribunals kommen von der "Coalition for International Justice". Diese "Koalition für internationale Gerechtigkeit" wurde ebenfalls von George Soros gegründet und wird von ihm finanziert. Im Mai letzten Jahres bedankte sich die Präsidentin dieser Organisation bei der US-Regierung für "die großzügige Spende von 500000 US-Dollar" (1,1 Millionen DM). In einer Rede, die sie am 12. Mai 2000 vor dem US-amerikanischen Rat für internationale Beziehungen in New York hielt, sagte sie: "Der moralische Auftrag, die Gewalt in der Region zu beenden, wird von allen geteilt, inklusive der Privatwirtschaft. Ich freue mich daher, daß ein führendes Unternehmen uns kürzlich Computer im Wert von drei Millionen Dollar (6,6 Millionen DM) gespendet hat."

.... des Lied ich sing´

Bei diesen Sponsoren ist es leicht verständlich, daß das Kriegsverbrechertribunal nur Feinde der USA verfolgt. Die von kroatischen und muslimischen Nationalistenführern zwischen 1991 und 1995 begangenen Verbrechen werden hingegen nicht verfolgt. Ebenso wenig werden die Führer der UCK oder der NATO angeklagt. Letztere sind immerhin verantwortlich für einen illegalen Angriffskrieg, die gezielte Zerstörung der jugoslawischen zivilen Infrastruktur und die Verwendung von verbotenen Waffen wie Clusterbomben und DU-Geschosse. Und genau hier liegen auch die wahren Gründe für die Jagd auf Milosevic: Erstens handelt es sich um den Versuch, das ganze serbische Volk zu beschuldigen und dabei die Tatsache zu verbergen, daß die USA und Deutschland die Kriege in Jugoslawien provozierten und verlängert haben. Zweitens sollen Staatschefs, die sich der kapitalistischen Globalisierung widersetzen, eingeschüchtert und drittens soll der kriminelle Krieg der NATO reingewaschen werden, nachdem der Vorwand des Krieges und die Medienlügen immer weniger geglaubt sind.

Das Internationale Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien wurde 1993 auf Drängen von Madeleine Albright durch den von den USA dominierten Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingerichtet. Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen stellte in seinem Report fest, daß der normale Weg zur Einrichtung eines solchen internationalen Strafgerichts "ein internationaler Vertrag" gewesen wäre, "ausgearbeitet und anerkannt durch die Mitgliedsstaaten, denen volle Souveränität zugestanden wird". (Report Nr. X S/25704, Abschnitt 18) Aber die USA setzten sich mit ihrer willkürlichen Interpretation von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen durch, das dem Sicherheitsrat erlaubt, "zur Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderliche Maßnahmen durchzuführen". Ist die Einrichtung eines Strafgerichts eine solche Maßnahme im Sinne der Charta der Vereinten Nationen? Wohl kaum. Schon die Einrichtung des Kriegsverbrechertribunals verletzte somit internationales Recht.

Ohne Präzedenzfall in der Geschichte des internationalen Rechts, wurde das Tribunal beauftragt, sein eigenes Statut selbst festzulegen. Dieses Statut wurde im Folgenden mehrfach verändert, was keine Schwierigkeit darstellt: Die Präsidentin kann Veränderungen selbständig vornehmen, sie muß sie sich lediglich per Fax von den anderen Richtern bestätigen lassen. Die Normen des Tribunals wirken außerdem rückwirkend und können so den Ereignissen nachträglich angepaßt werden. Auch die Anklage kann, im Gegensatz zur Verteidigung, einige Regelungen verändern. Besonders problematisch ist, daß nicht die Richter, sondern die Anklage die Untersuchung leitet, es also keinen investigativen Richter gibt. Außerdem kann das Gericht Verteidigungsanwälte ablehnen oder ihre Arbeit unterbrechen, wenn sie sich seiner Meinung nach "aggressiv" verhalten.

Die Anklage kann mit Zustimmung der Richter der Verteidigung den Zugang zu bestimmten Büchern, Dokumenten, Fotos und anderen Beweisgegenständen verweigern. Außerdem kann die Quelle von Aussagen und Informationen der Verteidigung gegenüber geheim gehalten werden. Dies hat zur Folge, daß das Tribunal Geheimdienstberichte verwenden kann, auch wenn diese Informationen illegal, zum Beispiel durch Telefonüberwachung, Korruption oder Diebstahl, erlangt wurden. Eine Nachprüfung oder Gegenuntersuchung seitens der Verteidigung wird damit unmöglich gemacht. Auch Repräsentanten andere Staaten, die an dem Konflikt beteiligt waren, können vertrauliche Informationen eingeben, ohne sich selbst einer Befragung unterziehen zu müssen. Außerdem kann eine Anklage "im Interesse der Gerechtigkeit" geheim gehalten werden, so das der Beschuldigte nicht weiß, wogegen er sich verteidigen muß. Verdächtige (also noch nicht Beschuldigte) können 90 Tage ohne Anklage eingesperrt werden - Zeit genug um ein Geständnis zu erzwingen. Geständnisse wiederum haben auch dann Bestand, wenn der Beschuldigte das Gegenteil beweisen kann.

Fazit: Kein nationales Gericht, in den USA oder sonst wo auf der Welt arbeitet so eklatant ungesetzlich und willkürlich wie das Jugoslawientribunal. Aber wenn es gegen die Feinde der USA geht, zählen juristische Prinzipien nicht mehr. Für die Herren der Welt gehört das Recht den Stärksten und Reichsten.


Erschienen in der belgischen Wochenzeitung "Solidaire" Nr. 15 vom 11.04.2001; Übersetzung aus dem Französischen von Oliver Wagner


zurück  zurück